Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts
§ 198 Bewertungsgesetz
Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.
Historie des gemeinen Werts
Wobei hier gemein im übertragenen Sinne auf allgemein zu sehen ist und nicht mit gemein als "ungerecht" verwechselt werden sollte. Der Ursprung kommt wohl vom "Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) *1794"
Gemeiner Werth
Auszugsweise aus dem ALR v. 1794
§. 111. Der Nutzen, welchen eine Sache ihrem Besitzer leisten kann, bestimmt den Werth derselben.
§. 112. Der Nutzen, welchen die Sache einem jeden Besitzer gewähren kann, ist ihr gemeiner Werth.
§. 113. Annehmlichkeiten oder Bequemlichkeiten, welche einem jeden Besitzer schätzbar sind, und deswegen gewöhnlich in Anschlag kommen, werden dem gemeinen Werth beygerechnet.
Gemeiner Wert bei Schenkung oder Erbschaft
Bei der Erbschaft einer Wohnung ist der Nachweis nur dann erforderlich, wenn die Freibeträge nach § 16 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) überschritten werden. Diese richten sich nach der Steuerklasse des Erwerbers (Erbe). Je nach der Höhe der Erbschaft und der Überschreitung der Freibeträge sind Erbschaftssteuer oder Schenkungssteuer in prozentualen Anteilen zu entrichten. Diese Steuersätze gliedern sich nach Steuerklassen und Wert des steuerlichen Erwerbs.
Interessant wird es jedoch bei einer eventuellen Überschreitung der Freibeträge oder wenn der Steuerpflichtige in eine anderen Steuersatz rutscht. Hier ist es unumgänglich, den Verkehrswert der Liegenschaft zum Todestag oder Schenkungstag festzustellen. Es besteht somit die Möglichkeit, einen günstigeren Steuersatz nutzen zu können. Es muss jedoch klar hervorgehoben werden, dass die Bewertung durch einen Sachverständigen auszuführen ist. Weiter gilt, dass die Feststellung des Grundbesitzwertes nach dem Verkehrswertgutachten für die Behörde nicht bindend ist, sondern der Beweiswürdigung des Finanzamtes unterliegt. Das Gutachten wird auf seine inhaltliche Richtigkeit und Schlüssigkeit durch das Finanzamt überprüft. Ist das Gutachten nicht schlüssig oder enthält Fehler, so wird dieses Verkehrswertgutachten abgelehnt. Die Immobilienbewertung war umsonst.
Dies ist unsere Aufgabe in der Immobilienbewertung. Denn wir sind vor Ort und nehmen das Objekt in Augenschein und können somit auf tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten hinweisen, die dem Finanzamt verborgen bleiben, da hier die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz zu statisch ist.
Gemeiner Wert in der Immobilienbewertung
Bei einer Erbschaft oder Schenkung setzt das Finanzamt auf der gesetzlichen Grundlage des Bewertungsgesetzes den gemeinen Wert (bei Grundbesitzwert) einer Immobilie oder Liegenschaft fest. Die Bewertung erfolgt in der Regel durch den zuständigen Sachbearbeiter der Finanzbehörde vom Schreibtisch aus. Die verwendeten Werte stammen vom Gutachterausschusses. Der Gutachterausschuss liefert Vergleichspreise, Bodenrichtwerte und ggf. auch Sachwertfaktoren sowie Umrechnungskoeffizienten. Die Werte wurden aus allen Kaufpreisen, die dem Gutachterausschuss von den Notaren vorgelegt werden, ermittelt. Die Objektbesichtigung gehört nicht zu den Aufgaben des Finanzamtes, da dies für die Anzahl der Bewertungsfälle zu aufwendig wäre. Hier ist der Sachverständige für den Steuerpflichtigen sowie die Finanzämter durch die Immobilienbewertung unterstützend tätig.
Das Bewertungsverfahren der Behörde basiert zwar auf den Daten der Gutachterausschüsse, berücksichtigt nicht die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten wie in der Immobilienbewertung. Somit entsteht eine gewisse Streuung im Bereich des festgesetzten gemeinen Wertes. Der festgestellte Wert kann mal zu hoch oder mal zu tief ausfallen. Fällt die Bewertung des Finanzamtes zu hoch aus hat der Gesetzgeber zum Schutze des Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben, den niedrigen gemeinen Wert nachzuweisen. Dies erfolgt durch den Öffnungsparagraphen § 198 (Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts" des Bewertungsgesetz (BewG). Die Immobilienbewertung stellt den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls fest und spart in der Regel erhebliche Erbschaftssteuer.
Der Steuerpflichtige erbringt den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten. Der Sachverständige ermittelt in der Immobilienbewertung den Verkehrswert. Der Verkehrswert entspricht dem gemeinen Wert.
Gemeiner Wert
§ 9 Bewertungsgesetz
(1) Bei Bewertungen ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen.
(2) Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.
(3) Als persönliche Verhältnisse sind auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Das gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen.